Ich sitze in der Küche und schaue aus dem Fenster: grauer Beton, grauer Himmel, es regnet in Strömen und das schon, seit wir gestern von der Praktika “Ekis” (so spricht man das x aus) nach Hause fuhren. Der richtige Tag, um für euch meinen 1. Bericht zu schreiben.
Megacity: Buenos Aires
Unser Flug nimmt, wie befürchtet kein Ende, die Watschn in Bezug auf die Temperatur ist, ob der morgendlichen Stunde ausgeblieben. Der Sprung in den Sommer fällt mir total leicht. Im Taxi spüre ich den warmen Wind, während wir uns durch grauenhafte Architektur aus den 1970ern Richtung Stadtzentrum bewegen. Für mich mal der 1. Schock, viel hässlicher kann man eigentlich nicht mehr bauen. Die Blöcke, sehr hoch, ragen einzeln wie Zahnruinen in den Himmel, dazwischen die Zahnlücken, die Betonlandschaft scheint endlos.
Eine halbe Stunde später setzt uns das Taxi Ecke San Juan/San Jose, meine jetzige Heimat, ab.
Schock Nr.2: Vor der Hausture schlafen zwei Ninos in Decken gewickelt, wo bin ich hier gelandet? Läuten – ein grosses hallo – 23 Kg in den 2. Stock geschleppt – dann: Eintauchen in eine andere Welt! Sabrina wedelt freundlich mit dem Schwanz, Elisa, unsere Gastgeberin zeigt uns ihre grosszügig angelegte Wohnung. Südliches Flair verbreiten der gemusterte Steinboden, die riesigen Türen mit blau gestrichenen Holzjalousien, die Pflanzen auf der grossen Dachterrasse- Herrlich!! Hier lässt’s sich aushalten!
Ein 1. Sparziergang uber die Avenida de Mayo zum Plaza Dorrego in San Telmo und mein Eindruck beginnt sich zu ändern. Riesige Strassen, Millionen von Autos, ein reges Treiben überall. Unser erster frisch gepresste Orangensaft und dazu gleich die 1. Tangoshow auf der Strasse – que lindo!
Elisa kennt jeden und wir kriegen gleich einen Tisch an der Piste. Eine Flasche Champagner und es kann los gehen! Ich beobachte das berühmte Procedere hier: Tanda – dann Cortina: die Tanzflache leert sich komplett, die Tänzer bringen ihre Milongueras an den Tisch zuruck und die Blicke der Suchenden schwirren durch den Raum. Meiner auch!
Hay muchos Jorges aqui! No? Raunt mir Monika ins Ohr. Tatsachlich, die Auswahl an guten Tanzern ist enorm. Natürlich der beruhmte Cabezeo: das Auffordern mittels Augenkontakt.
Auja, das probier ich jetzt. Natürlich sehe ich nur in die Augen der jungen, gut aussehenden, die Männer in meinem Alter ignoriere ich mal fürs erste: vamos a ver! Und es klappt vorzüglich. Nach der ersten Aufforderung von einem Christian, dann Emilio(nicht viel grösser als ich), Leonardo..ich fühle mich schon sehr gut, und sicher. Klassisch, mit meinen steilsten Highheels und Kleidchen komme ich anscheinend ganz gut an. Die Unsicherheit, ob ich genug Können besitze, um mitzuhalten, weicht schnell einer Selbstsicherheit. Die Jungs haben’s einfach wirklich drauf, keine Frage! Im close embrace schaffen sie es mühelos, mir das ultimative Tangogefuhl zu vermitteln, keine Ahnung, was sich beinmässig abwarts der Taille tut, aber es fühlt sich gut an, sehr gut!
3 Uhr mogens, die Stimmung ist am Höhepunkt. Im Rhytmus der Tandas und Cortinas füllt und leert sich die Piste. Dann eine kurze Anuncio, jemand hat Geburtstag (es gibt keinen, bei uns so beliebten Geb.Tango) und jetzt eine fulminante Show eines sehr harmonischen Paares. Endlos lange Beine, perfekte Harmonie mit der Musik von Pugliese, ganz meins!
Kurz vor 6, jetzt zaht sich’s auch nicht mehr aus, ins La Viruta zu wechseln, wir fallen erschöpft ins Bett!